1952 · Das Orgelschaffen Max Regers

im Lichte der deutschen Orgelerneuerungsbewegung

von Artur Kalkoff
1950. Bärenreiter-Verlag. 84 S.

Die Schrift des in Erfurt wirkenden Verf., 1944 als Dissertation in Jena eingereicht, wirft die Frage auf, ob das Orgelschaffen Regers, das unter dem Einfluß der norddeutschen Orgelbewegung stark in den Hintergrund getreten war, in der Tat mit deren Grundsätzen unvereinbar sei oder ob nicht die spezifisch romantischen Elemente in Regers Orgelstil nur sekundärer Art seien, so daß es gelingen könnte, diese Musik, mehr als es heute der Fall ist, wieder der Praxis zurückzugewinnen. Der Verf. bejaht diese Frage, da er Regers Stil als vorwiegend strukturell, kontrapunktisch, also orgelmäßig ansieht, während die vom Komponisten vorgeschriebene Übergangs-Dynamik für seinen Stil nicht wesentlich sei. Er beruft sich auf Straube, der 1938 seine Neuausgabe der Fantasie über "Ein' feste Burg" mit Terrassen-Dynamik statt der originalen Übergangs-Dynamik versehen hatte. Auch in meiner Orgelklasse an der Stuttgarter Musikhochschule wurden in den Jahren vor dem Krieg die großen Orgelwerke Regers (op. 40, 46, 52 u. a.) so umgearbeitet, daß die vielen cresc. und dim. gestrichen, die rit. und string. reduziert, in der Registrierung Stärke durch Farbe ersetzt wurde, wodurch in der Tat eine merkliche Verbesserung des Klangs, eine größere Flächenwirkung erzielt wurde; ungelöst blieb nur auf den inzwischen in barockem Sinn umgebauten Orgeln die klangliche Darstellung der pp-Stellen, die ohne zarteste Grundstimmen und Schwellkasten eben nicht in einem der Komposition adäquaten Sinn zum Klingen gebracht werden können. Die heutige Zurückdrängung Regers hat aber natürlich tiefere Ursachen, die in dem einschneidenden Stilwandel der letzten zwei Jahrzehnte begründet liegen, der Lebende hat recht!
Kalkoff gibt, ohne besondere eigene Stellungnahme, einen Überblick über Regers Orgelschaffen, über die Entwicklung der deutschen Orgelbewegung (die eigentlich schon 1926 mit der Gründung des "Deutschen Orgelrats", der nie in Aktion trat, zum Stehen gekommen ist), und zum Schluß über ihre Auswirkung auf Reger, dessen richtige Würdigung er sich erst von der Zukunft erhofft. Es ist in der Tat nicht unmöglich, aber auch nicht mit Sicherheit vorherzusagen, daß der neue durch Distler, Pepping u. a. gebildete Stil sich rasch erschöpfen wird; bleiben wird dann David, und vielleicht wird Reger später von den Organisten so geschätzt werden wie Brahms heute von den Klavierspielern?
Hermann Keller

Quelle:
Die Musikforschung
Jahrgang V, Heft 2/3, 1952